Viewability-Standards im Programmatic Advertising

23. Apr 2021 | Online Marketing

Stand der Dinge

Das Thema Viewability in Bezug auf Display-Anzeigen ist auch für den deutschen, sehr verlagsseitigen Markt seit mehreren Jahren ein vieldiskutiertes Thema und damit zu einem Spielball zwischen den Publishern auf der einen Seite und Advertisern und Agenturen auf der anderen Seite geworden. Für die letztendliche Festlegung auf einen allgemeingültigen Standard hat es trotz diverser Anläufe bislang noch nicht gereicht. Häufig wird in diesem Zusammenhang der IAB-Standard 50/1 genannt, welcher besagt, dass die AI (Ad Impression) mindestens zu 50% ihrer Fläche für mindestens eine Sekunde im sichtbaren Bereich des Users gewesen sein muss. Dies hat sich inzwischen jedoch vielmehr als eine Empfehlung durchgesetzt – eine für alle Beteiligten bindende Regelung stellt dieser „Standard“ jedoch nicht dar. Die Branche ringt daher seit geraumer Zeit um einheitliche Standards, die von Publishern und Advertisern gleichermaßen akzeptiert werden – eine Diskussion die von widerstreitenden Interessen und den damit verbundenen ökonomischen Interessen bestimmt wird. Es scheint, als ob mindesten zwei Problempunkte grundsätzlich angepackt werden müssten: das Viewability Measurement und die Verantwortlichkeiten in Bezug auf die Sichtbarkeit der Ad Impressions.

Viewability-Measurement

Eine mögliche, aber ebenso weit entfernte Entspannung des Problems könnten einheitliche Verfahren in der Viewability-Messung darstellen. Nach dem derzeitigen Stand der Dinge setzen die verschiedenen Anbieter verschiedene Tools zur Messung der Viewability ein, sodass es im Moment noch dazu kommen kann, dass für ein und dieselbe Ad Impression aufgrund der unterschiedlichen Mess-Verfahren verschiedene Werte in Bezug auf die Viewability zustande kämen. Dadurch tun sich die Publisher sehr schwer, Angebotsentscheidungen strategisch zu treffen: Während ein Kunde das Inventar aufgrund von zu niedriger Viewability ablehnt, ist ein anderer Kunde aufgrund eines anderen Messverfahrens zufrieden und bietet mit. Eine Vereinheitlichung der Mess-Systeme scheint sehr unrealistisch, da die Anbieter im Konkurrenzverhältnis zueinander stehen und eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse somit vermutlich gar nicht angestrebt werden. Da eine einheitliche und nicht-beeinflussbare Viewability- Messung aufgrund der Diversität der Anbieter und deren wirtschaftlichen Interessen kaum zu erwarten ist, wird eine Lösung eben dieses Problems in absehbarer Zukunft wohl nicht eintreten.

Kooperation in Hinblick auf die Verantwortlichkeiten

Ein weiterer Baustein zur Lösung des Konflikts könnte die Klärung und Kooperation in Hinblick auf die Verantwortlichkeiten sein. Wenn das gemeinsame Ziel von Advertiser und Publisher ist, den User möglichst lange auf der besuchten Website zu halten und damit auch die Chance zu steigern, dass der User die Ad Impression für die notwendige Dauer wahrnimmt, so können Publisher und Advertiser dies wohl nur gemeinsam erreichen. Die Verantwortlichkeit des Publishers ist es, einen interessanten und fundierten Content für die Website zu produzieren. Der Advertiser ist wiederum in der Verantwortung, Werbemittel zu erstellen, die ab der ersten Sekunde der Einblendung geeignet sind, die Aufmerksamkeit und das Interesse des Users auf sich zu ziehen. Sollte eine

„Kooperation“ jedoch ausbleiben, wird den Publishern kaum etwas anderes übrig bleiben, als nur diejenigen Kriterien zur Viewability heranzuziehen, die sie selbst beeinflussen können. Da auch hier nur schwer vorstellbar ist, wie eine solche Übereinkunft zwischen „allen Publishern“ und „allen Advertisern“ zustande kommen und überprüfbar sein soll, wird dieser Ansatz wohl auch eher ein Wunschtraum bleiben und zeigt, wie komplex die Viewability-Thematik für alle Beteiligten ist.

Aussichten und Praxistipp (Reichweite vs. Branding)

Die soeben besprochenen Punkte zeigen, in welchem Spannungsverhältnis die Standardisierung des Viewability-Measurements zu den ökonomischen Interessen aller am Markt beteiligten Player steht. Aus eben diesem Spannungsverhältnis heraus dürfte mittelfristig keine Lösung absehbar sein, die von allen Seiten gleichermaßen akzeptiert wird. Auch die vom IAB empfohlenen 70% Viewability taugen als Kompromissvorschlag nur wenig, weil damit die Probleme der Messbarkeit nicht aus dem Weg geräumt werden.

Als Advertiser empfiehlt es sich, sich kampagnenabhängig die Frage zu stellen, ob durch die Kampagne in erster Linie Reichweite erzeugt werden soll oder ob die Brand-Awareness im Fokus der Kampagne steht.

In Bezug auf die Reichweiten-Kampagnen sollte nämlich der Return on Invest als Ganzes betrachtet werden, da das Inventar mit geringerer Viewability günstig genug ist, um eine

„Sättigung“ des Marktes herbeizuführen und den gewünschten Effekt kostengünstig zu erzielen. Im Falle der reinen „Reichweitengenerierung“ dürfte die Problematik der Viewability somit keine allzu große Rolle spielen.

Als „Zwischenlösung“ für die Brand-Kampagnen drängt sich vielmehr die Möglichkeit auf, die Viewability als zusätzliche Targeting-Variante zu nutzen. Dies ist technisch ohne weiteres machbar und ermöglicht es dem Advertiser, nur auf solches Inventar mitzubieten, das die gewünschte Viewability-Rate aufweist. Selbstverständlich geht das ggf. mit einem erhöhten TKP einher – je größer die Wahrscheinlichkeit der Sichtbarkeit der AI, desto größer ist der Wettbewerb, desto höher sind die Kosten. Vor allem in Bezug auf Brand-Kampagnen dürfte diese Variante jedoch ihren Preis wert sein, da somit maximale Awareness in dem gewünschten redaktionellen Umfeld gewährleistet werden kann.

Über den Autor

Veit Kuhl

MVK GmbH Unternehmensberatungsgesellschaft in Düsseldorf betreut mit Datenschutzauditoren und externen Datenschutzbeauftragten deutschlandweit Datenschutzmandate. Als Experten für Digitalisierung von Geschäftsprozessen beraten und begleiten wir KMU bei der Digitalisierung des Geschäftsalltags und sind autorisierte Fördermittelberater für das Förderprogramm go-digital des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.

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